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Archive for August 2010

Taiwan hat viele Gesichter.
Ich hatte zwar in meinem Motivationsschrieben für das Austauschjahr von meinem Interesse an der kulturellen Vielfalt Taiwans geschrieben, aber ich bin mir nicht so ganz sicher, ob die folgenden Aufnahmen kultureller Kontraste genau das sind, was ich damals meinte.

Eine Zeremonie im Longshan Tempel. Ich bekam Gänsehaut.

Partboys auf einem Nachtmarkt. Ich bekam wieder Gänsehaut.

Und diese freche Dame hat sich doch tatsächlich über meinen Akzent lustig gemacht. Meine Betonung sei so komisch. Die soll sich mal nicht so weit aus dem Fenster lehnen, die mit ihrem „How are you parents? My parents are okay, thank you.“! Versteht irgendjemand die folgenden Sätze? Pfff… Und ich gab ihr meine Doraemonfigur dafür, nie wieder!

Erboßt und verspottet,
Paul/柏逸

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Ich bin ein Ausländer.
Eines Morgens finde ich mich aus unerfindlichen Gründen auf einem cremefarbenen Moped fahrend wieder. Einige Momente zuvor stand ich noch still, ein Mann drehte unerwartet am Gas und ich hopste nach vorn. Ich folge halbwach einem silbergrauen Van im Morgenlicht. Rinks und lechts lauschen die Leisfelder an mir vorbei. Ungekämmt. Die retrospektiv betrachtete Irrelevanz der Ungekämmtheit sei dem feuchten Fahrtwind geschulded. Haarsträubend. Ahnungslose Moskitos und andere Insekten ähnlicher Größe klatschen in zeitlich und örtlich unregelmäßgen Abständen auf mein aufgequollenes Gesicht. Für alle Beteiligten überraschend. Sie erzählen mir von einem nächtlichen Erdbeben. Nicht alle Betelnussmädchen tragen in ihren mit grellen Neonröhren beleuchteten Glaskästen einen Bikini. Manche sind sogar Männer, keine Ladyboys. Die Anderen brieten verbotenerweise Popcorn über nächtlichen Flammen aus der Erde. Künstliche Wimpern, Barbielenses, eine zweite Lidfalte entsehen lassende Klebefolien, Extensions, Bleichcremes, Magic Bras und Party Bras – was ist an euch eigentlich noch echt? Und wie viele Schweine müssen sterben für einen Pizzateller Schweineschwänze?
I experience random things.

Ich bin ein Ausländer.
Und wir, die Ausländer, sind eine überschaubar kleine Gruppe in der Republik Chinas, nicht zu verwechseln mit der Volksrepublik Chinas! Taiwan ist die ROC, Republic of China; China Mainland ist die PRC, People’s Republic of China; zur Insel Taiwan kann man auch Formosa sagen, fragt die Portugiesen warum.
Manchmal frage ich mich, warum mich die Leute schief anschauen. Dann fällt mir wieder ein: Achso, ich sehe ja abnormal aus, stimmt. Und im gleichen Moment kommt mir dann wieder die entblößende Frage des Handyshopverkäufers in den Sinn, ob das denn meine natürliche Haarfarbe sei.
Es geht so weit, dass wir, die Offensichtlichen, die weißen Ausländer westlicher Herkunft, uns auf der Straße unbekannterweise lächelnd zunicken. Verstehe ich jetzt die Berliner Ghettobildung? Ach, Döner…

Ich bin ein Ausländer. Und sehr bald sogar amtlich Alien. Denn ich habe die Umwandlung meines Residency Visums in ein Alien Residency Visums beantragt, mit dem ich endlich ein irdisches Konto bei einer taiwanischen Bank eröffnen darf. Und die hier gar nicht so grimmig dreinschauenden Grenzbeamten lassen mich mit dieser ARC-Karte sogar wieder in ihr Land, wenn ich die Insel mal für eine kleine Entdeckungsreise verlassen sollte. Könnte ganz nützlich sein.

Die metaphorische Dramatik der „Servicewüste Deutschland“ bekommt beim Besuchen einer taiwanischen Behörde eine neue Qualität. Im Warteraum der National Immigration Agency, quasi die Ausländerbehörde Taiwans, ist man von einer Batterie U-förmig angeordneter Arbeitsplätze umgeben. Das heißt, alle Beamten werden von wiederum allen gesehen, auf das den deutschen Beamten nachgesagte Mikado muss verzichtet werden. Als ich beim Ausfüllen des Antrages zu dem Feld des genauen Wohnorts kam und nur den Namen meines Studentenwohnheims eintragen konnte, flitzte die bemühte Angestellte im Sauseschritt durch die Reihen und fand freundlicherweise die genaue Adresse mit einem Lächeln für mich heraus. Ja sie flitzte, oder sauste sie im Flitzeschritt? Man weiß es nicht.
Generell gehen Angestellte nicht wie ich es aus Deutschland kenne. Sie flitzen für den Kunden und man bekommt wirklich das Gefühl, da bemühe sich jemand ernsthaft. Das soll nicht immer so gewesen sein, angeblich wiedereinmal ein positiver Einfluss Japans.

Inzwischen habe ich auch erlebt, was ein Service-Overload ist. Ein erquickendes Beispiel wäre einer der vielen Convenient Stores wie 7-Eleven oder Family Mart, sollte man sich länger als 5 Minuten darin aufhalten. Kommt zum Glück nicht so oft vor, weil mein Einkauf sich meist auf eine Flasche Tee (die Auswahl ist unglaublich) oder eine Süßigkeit beschränkt (meist mit Doraemon auf der Verpackung drauf, ich kann dieser Weltraumkatze einfach nicht widerstehen). Der Grund ist folgender: Die Mitarbeiter wurden offensichtlich darauf geschult, oder sagen wir eher militärisch gedrillt, jedes Mal, wenn ein Kunde den Laden betritt, lauthals „Huan1ying2 guang1lin2“ durch den Laden zu rufen. Das heißt soviel wie „Herzlich willkommen“. Ist ja eigentlich ganz nett. Aber sind es mehr als ein Mitarbeiter, wird das ganze zum Chor. Zudem stimmt sich zuvor eine schmerzhaft nervtötende Jinglemelodie ein, die durch eine Lichtschranke am Eingang ausgelöst wird und das eigentliche Signal für die Begrüßungsformel gibt. Parlow würde sich im Grabe umdrehen.

Und das war noch nicht alles.

Das höchste der Gefühle war bisher ein Restaurant mit dem Namen Mr. Onion. Unfassbar populär, denn es gibt dort Spaghetti. (Das Thema hatten wir ja schon.)
Sollte ein Hungriger es ja auch nur wagen einen einzigen Schritt in ihre Gefilde zu setzen, beginnen die Kellnerinnen, die wie hungrige Hyänen mit geölten Kehlen zwischen den Tischen der Speisenden arglistig herumstreunen, den seelenlosen Chor der Scheißfreundlichkeit anzustimmen: Betont nasal mit hohen, schrillen Stimmen pressen sie ihre scharfkantigen, heiligen vier Worte wie ein zynisches Amen in die wehrlosen Ohren der ungläubigen Gäste: „HUAN-YING GUANG-LIN!!“
Wer da noch entspannt seine Spaghetti genießen kann, sollte sich die Ohren säubern.
Bon Appetit. (Dafür gibt es übrigens kein chinesisches Äquivalent, man isst einfach los.)

Nach zwei Wochen formosaischer Lebenserfahrung möchte ich eine erste Zwischenbilanz ziehen. Bitte denkt euch ein passendes Rangmerkmal für die folgende Top-Ten-Liste aus und schreibt es in die Kommentare oder auch nicht.

10. Teigsäckchen

Es kann gefährlich heiß die Soße spritzen, wenn man in sie hereinbeißt. Sie können auseinanderfallen, wenn man sie versucht mit den Stäbchen ungeübt zu packen. Gedämpft, gekocht, mit Suppe oder ohne: Dumplings gibt es in vielen Variationen.

Folgende Schrittfolge für einen unfallfreien Verzehr hat sich mir als hilfreich erwiesen:
a. Dumpling mit den Stäbchen aufspießen (Fortgeschrittene können sie auch packen)
b. Eine kleine Ecke des Teiges abbeißen, mit einem Löffel in der anderen Hand die herauslaufende Soße auffangen.
c. Die Soße aus dem Löffel schlürfen.
d. Nach einiger Zeit ist die Füllung abgekühlt, den Dumpling nun vorsichtig in Sojasoße mit Ingwer tauchen.
e. Ein Haps ist einfacher, bei zwei Häpsen läuft man wiederum Gefahr, dass die Füllung herausfällt.

Weiß zwar nicht, ob das chinesische Äquivalent des Knigge dies untersagt, aber es funktioniert. Ich weiß eigentlich nie, was mich im dünnen Teigmantel erwartet. Dennoch, ein Dutzend Prawn-Dumplings in selbstgemischte Soße aus Chilli, Sojasoße und Vinnegar getunkt sind ein wahrer Gaumenschmaus. Ich sage das nicht, weil ich kurz davor das gekochte Blut in der Suppe dezent zur Seite schob oder noch immer von frittierten Hühnerbeinen träume. Es schmeckt wirklich richtig gut. Hao3 hao3 chi1!

9. Kein Müll, keine Mülleimer.

Wie genau das System funktioniert, habe ich noch nicht herausfinden können. Ich glaube mal gelesen zu haben, die Japaner bräuchten keine öffentlichen Mülleimer, da sie prinzipiell ihren auswärts verursachten Müll mit nach Hause nähmen. Wie schon in Indien laufe ich mit wachen, nach Mülleimern Ausschau haltenden Augen durch die Stadt und trage dabei eine immer größer werdende Müllansammlung von Plastikflaschen und Tüten mit mir herum. (Irgendwann komme ich dann auch mal auf die Idee, die Plastikflaschen in die Tüten zu tun.)
Der Unterschied zu Indien ist:
Der Müll wird hier nicht auf die Straße oder demonstrativ neben die „Let’s Keep Goa Clean“-Schilder geworfen, er verschwindet auf wundersame Weise. (Wo genau, werde ich noch herausfinden.) Und die Straßen, insbesondere die Bahnhöfe sind unfassbar sauber. Wirklich, dagegen sieht ein Berliner U-Bahnsteig aus wie eine Gasse in Paharganj. Erwähnte ich schon die Strafe für Kaugummikauen in der MRT? 1500 NTD, umgerechnet fast 40€. Das sind etwa 10% des durchschnittlichen Monatsgehaltes eines Taiwaners. Überraschung, es kaut wirklich keiner.

8. Bahnsteigwarteschlangelinien

Und weil wir gerade beim unterhaltsamen Thema Bahnhöfe sind, sollten die Fußbodenmarkierungen neben den Waiting Zones for Female Passengers at Night eine Erwähnung finden. Die Waiting Zone markiert ziemlich genau, wo sich die Tür des Zuges befinden wird. Und von dort aus gehen wiederum Bodenmarkierungen ab, die die Warteschlangen vorschreiben. Und die Taipehaner halten sich tatsächlich daran. Sie warten in Diagonalen auf das, was ihnen gebührt. Fehlt eigentlich nur noch Anfassen und Zweierreihen.

Im nächsten Teil geht es um „Die Schuhe von Odysseus“ und „Das Glühwürmchen, das Verspätung hatte“,
Fortsetzung folgt.

RebellischinderMRTKaugummikauend,
Paul/柏逸

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Ein kurzes Update, ich lebe noch, aber hatte die letzten Tage weder freie Momente noch Internet. Warte gerade auf meinen High Speed Rail Train nach Kenting wo hoffentlich die versprochenen Paradiesischen Strände schon ganz ungeduldig auf das Antlitz meines Adoniskörpers warten.
Das Geschriebsel zur Überschrift folgt in Kürze!

Bald gestrandet,
Paul

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Die vielen klimatisierten Bookshops um den NTU-Campus laden zum Verweilen ein. Zurzeit bin ich noch zwischen den Drei- und Vierjährigen in der Bilderbuchabteilung zu finden, meist bunte Kindergeschichten über Tierfamilien lesend. Das kleine Huhn xiao3ji1 geht mit ihren Küken in den Supermarkt chao1shi4 und trifft auf die Schweinchenfamilie. Dann wird Verstecken gespielt. Den nervenaufreibenden Fortgang möchte ich offenlassen, so ein Cliffhanger ab und zu muss auch mal sein. Ich brauche Ewigkeiten um die Zeichen zwischen den Bonbons, Hasen und Hühnchen ins iPhone einzumalen (Gott segne die Zeichnerkennung), um sie anschließend nachschlagen zu können.
Noch Blättern die Kleinen um mich herum schneller.
Noch.

Eine meiner hochkonzentrierten Lesenachbarinnen:

Die Popularität von Drachenfrüchten war mir immer ein Rätsel. Eine Frucht, die zugegebenermaßen hübsch anzusehen ist, einen verkaufssteigernd mysteriösen Namen hat, aber einfach mal nach nichts schmeckt.
Quasi eine potemkinsche Gurke. (Markus, der war für dich!) Doch ich habe gelernt, eine frisch vom Feld gepflückte Drachenfrucht kann sehr wohl süß und köstlich sein. Es gibt wohl auch Drachenfrüchte mir rotem Fruchtfleisch, welche noch etwas süßer sein sollen.
So, nun liebe Hobbygärtner und Gemüsebeetliebhaber, aufgepasst:
Die pizzatellergroßen hochzeitskleidähnlichen Blüten der Drachenfruchtbäume blühen nur in der Nacht. Und das tun sie maximal drei Tage hintereinander. Bei genug Regen in der Saison zwei Mal im Monat. Der Duft ähnelt dem einer Honigmelone, nur irgendwie zarter. Für detailierte Duftbeschreibungen verweise ich an Monsieur Grenouille.

Drachenfruchtplantage:

Und wo ich gerade bei süßen Früchten bin. In Taiwan kann man neuerdings aus Mango und Longan (Drachenauge) gezüchtete Longan-Mango kaufen. Bisher kannte ich nur versalzen, aber nach einer Longan-Mango kenne ich endlich auch versüßt.

Sonnenuntergänge. Wer mich kennt, der weiß, dass ich Fotos von ihnen nicht besonders mag. Kein Foto wird jemals das Sonnenuntergangsgefühl adäquat vermitteln können! Das ist der Grund, warum ich es meist gar nicht erst versuche. Nur dieses Mal muss ich eine Ausnahme machen. Um mich von meiner Aussage emotional zu distanzieren, zeige ich nur die Aufnahme, die ich mit meinem Telefon gemacht habe. Schwer zu sagen, ob ich schon mal ein schöneres Farbspiel am Himmel sehen konnte. Mein Gefühlsausbruch beim Erblicken kam ziemlich nah an den Doublerainbow ran, vielleicht nicht ganz so orgastisch.

In einem doch-so-westlichen Steakrestaurant namens Jurassic Steak bestelle ich des Abends einen westlichen Lappen Fleisch auf westlichen Spaghetti. Man kann keine andere Beilage wählen. Im Westen essen die eben Steak mit Spaghetti, so ist das nun mal, klar. (Kleiner Einschub: Momentan sitze ich in einem Starbucks Café nahe der MRT-Station Zhongxiao Dunhua, das sich übrigens kaum von den unseren unterscheidet. Das nasale, hochfrequente Gekreische von der siebenköpfigen Mädchenbande am Nebentisch versucht immer wieder meine Konzentration zu stören. Ihr für taiwanisches Chinesisch typische „laaa“ am Ende des Satzes schafft es dann doch ab und zu. „hai2 hao3 laaa!“ „wo3 bu4 zhi1 dao laaa!“) Zurück zum Jurassic Steakhouse. Als Vorspeise bekomme ich eine Maiscremesuppe (mit Muscheln, ein bisschen taiwanische Modifikation darf schon sein). Nur die Suppe als solche zu identifizieren war gar nicht ganz so einfach, wie man vielleicht denkt. Die Suppe war von einer Art Brotdeckel bedeckelt. Also das Brot wurde direkt auf der Suppenschüssel gebacken. Da ich keinen Einstich im Brot finden und mir auch keine Maiscremespritze vorstellen kann, muss die Suppe wohl mitgebacken worden sein. Mit einer westlichen Gabel kann man dann das Brot Stück für Stück in die Suppe reindrücken und unterrühren. Ein schwierig zu beschreibender Vorgang. Das Fleisch schmeckte zum Glück nicht so wie der Restaurantname suggerieren könnte. Nur das Brennen der Pfeffersoße auf meiner Zunge hält einige Stunden an und überlebt sogar das Zähneputzen. Ich glaube es war eher Chilli statt Pfeffer. Wie unwestlich.

Südlich/Östlich/laaa!,
Paul/柏逸

Step 1:

PS: Fast hätte ich’s vergessen. Neben den fleischbedeckten Nudeln bruzelte natürlich ein Spiegelei. Hätte mich auch sonst gewundert.

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In einer taiwanischen Nachrichtensendung über Ereignisse in China Mainland sah ich heute einen Beitrag über eine Frau, die aus Zorn ihre Jeans auszog und mit dieser so lange auf einen Polizisten eingeprügelte, bis dieser in Ohnmacht fiel. Sie konnte anschließend glücklicherweise überrumpelt werden. Ob das Miteinerdamenhoseverhauenwerden den Stolz des Gesetzeshüters angekrazt hat? Vermutlich.
Der nächste Beitrag handelte von einem neuen Restaurant, in dem man sich einen Monitor zum Essen dazubestellen kann. Dieser wird einem gegenüber platziert. Mann kann sich dann während des Restaurantbesuchs von zum Beispiel einer attraktiven Asiatin mit tiefem Ausschnitt anschauen lassen. Laut Restaurantbetreiber solle somit einem das Gefühl gegeben werden, als hätte man ein Date. Ob man auch für das Essen der Videoprojektion zahlen muss, wurde nicht gesagt.

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte, das folgende Video hat 54 Sekunden normgerechte fünfundzwanzig Bilder pro Sekunde. Wer Adam Riese und Eva Zwerg kennt, kann sich nun ausrechnen (lassen) wie viele Worte eine Beschreibung der folgenden abstrusen Szenen potentiell beinhalten. (Ich glaube, es sind so viel mehr.)
Um ehrlich zu sein, ich könnte diese Eindrücke auch einfach nicht in Worte fassen. Lautsprecher aufdrehen und einfach mal auf sich wirken lassen.

Heute ist der zweite Tag im Geistermonat Juli nach chinesischem Kalender (Monat sieben, im Chinesischen werden Monate wie Wochentage durchnummeriert). Die Taiwaner kommen zum Night Market und bringen Unmengen von Gerichten und Getränken und legen diese auf die endlos langen Tische. Dann folgt bai4bai4, das Beten. Wie das ganze mit den schreienden und erschreckend knapp berockten, weiblichen Eurodance-Liveacts korreliert, konnte ich mir im Räucherstäbchendunst nicht unmittelbar erklären. Der von mir besuchte Night Market in Yilan ist übrigens auf Platz fünf der beliebtesten Night Markets in Taiwan. Also vermutlich richtig gut. Nach dem bai4bai4 darf man die mitgebrachten Speisen essen. Vor den befüllten Tischen sind drei Schweine aufgespießt, in ihren aufgerissenen Mäulern stecken soetwas wie Bälle, in denen wiederum Duzende Räucherstäbchen glimmen. Die Schweinebäuche sind längs aufgeschnitten und gespreizt, es tropft noch das Blut in eine Schale mit den durch Eis gekühlten Schweineinnerien. Nur einen Reiskornwurf entfernt finde ich einen Stand, an dem man knusprig frittierte Gansköpfe und Ganshälse essen kann. Es gibt auch den frittierten Ganskopf inklusive dazugehörigem Ganshals, wahrscheinlich gehen aber die Einzelkomponenten besser. Differenzierte Befriedigung der Einzelmärkte und so. Vielleicht waren es auch Schwanenköpfe und -hälse. (Diskussionen bitte in die Kommentare.)

Am Green Lake in Xindian hat man eine herrliche Aussicht auf die Stadt und ein paar Berge am Rande Taipehs. Man kann dort Tiertretbootfahren (zur Auswahl stehen Wal, Pinguin und Schwan), was man aber im aktuellen Geistermonat nicht machen soll, weil nämlich sonst die Geister aus dem Wasser kommen und einen hinunterziehen. Man kann dort aber auch Mausfötus essen. Einem Aberglaube zu Folge sind solche Tierembryos sehr nahrhaft.
Das weckt in mir Erinnerungen an das Entenembryo, das ich einst in Vietnam zum Frühstück aß. Ein guter Filmtitel, wie ich gerade finde. (Beilage war übrigens Schneckensuppe, auf nüchternen Magen. – Könnte auch der Titel des Sequels sein.).

Ich möchte der taiwanischen Cuisine nicht unrecht tun, nicht nach wenigen Tagen. Sicher, es gibt Dinge bei denen ich mir noch unschlüssig bin, ob ich diese jemals probieren werde oder sollte. Zudem, viele Geschmacksrichtungen sind meinem europäischen Gaumen einfach unbekannt (Kommt es mir nur so vor oder ist unser Essen einfach salzig?). Aber ich habe schon sehr, sehr leckere gebratene Gans (weder Hals noch Kopf), Dumplings, Suppen und Süßspeisen probieren dürfen. Die Süßspeisenkonsistenz ist oft götterspeisengleich, dazu gibt es diverse Bohnen. Ja, Bohnen! Und vielleicht muss ich mir einfach angewöhnen, mein Auge nicht an jedem Bissen teilhaben zu lassen. Dabei denke ich insbesondere an die frittierten, etwa sprottengroßen Fische. Nachdem ich nichtsahnend und mich schon für mutig befindend den Kopf abgebissen hatte, offenbarte sich mir der prall mit Rogen gefüllte Fischbauch. Ganz langsam weiterkauen und nicht darüber nachdenken, ganz langsam weiterkauen.

Auf meinem Weg vom Hostel zur Taipei Main Station sehe ich im Augenwinkel ein Mädchen in Schuluniform auf mich zukommen. Sie sei Schülerin (oder Studentin? das englische „student“ ist in dieser Hinsicht ja mehrdeutig) und begann anschließend mich mit chinesischen Aussagesätzen oder Fragen zu bombardieren. Ob sie denn nicht Englisch spreche. Ja, könne sie ein wenig. Also es war Chinglisch, und sie stehe hier ganz alleine vor dem Hauptbahnhof, um Stifte zu verkaufen. Stifte. Stifte? Langsam öffnete sie ihre …
Umhängetasche und zog ein Bündel abgrundtief hässlicher Kitsch-Filzstifte heraus, die sie mir öffentlich feil bot. Ein wenig konfus verneinte ich freundlich. Ein wenig unbeholfen, aber bestimmt, öffnete sie dann plötzlich ihre…
Tasche erneut und holte drei weitere, noch viel viel abgrundtief hässlichere Chinaplastik-Schreibutensilien in knisternden Klarsichttüten heraus. Ihre traurigen Augen auf ein weiteres Nein-Danke meinerseits ließen mich für einen Moment zögern. Stifte. Ich gehe und überprüfe nach einigen Schritten meine hintere Hosentasche. Noch alles da. Was man doch gleich wieder denkt.

Vertrauensvoll,
Paul/柏逸

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Ich habe gestern im McDonalds meine erste große Cola auf chinesisch bestellt. Und ich habe sie bekommen. Wo yao yi ge da bei keyle. Zwar wiederholte die Verkäuferin meinen Satz zur Sicherheit noch mal, aber auf ein Nicken meinerseits hechtete sie sogleich zur Getränkeabfüllstation. Mit geschwollener Brust steckte ich einen xi3guan3 (Strohhalm) in den Pappbecher und schlürfte genüsslich das süße Gesöff.
Das Lernen der Zeichen wird eine Herausforderung. Ich bemühe mich schon im neonblickenden Zeichenwald von Ximen (ein hipper Stadtteil mit tausend kleinen Läden) das ein oder andere bekannte Zeichen zu entdecken. Dabei konzentriere ich mich natürlich auf die mit wenigen Strichen, wie zum Beispiel 中心. 中 heißt Mitte (zhong1) und 心 heißt Herz (xin1, wobei Taiwaner anscheinend eher xing1 sagen). Beides zusammen heißt dann sowas wie Haupt- oder Mittelpunkt von usw. Auch neu gelernt habe ich 冰 (bing1), was so viel wie Eis heißt. Man bemerke die Ähnlichkeit zu 水 (shui3), Wasser. Also ein paar Zeichenentwicklungen machen schon Sinn! Auch häufig sehe ich 台 (tai2, was – zum Glück – eine simplifizierte Form vom traditionellen 臺 ist), heißt so viel wie Plattform und ist das gleiche Tai wie in Taiwan.
北 heißt Norden (bei3), 門 sieht schon fast wie eine Salontür aus und heißt auch Tür (men2) und zu guter letzt hätten wir noch das Zeichen für „klein“, 小 (xiao3).
Puh.
Das reicht erstmal für heute, zur Entspannung nach dem Zeichenbombardement gibt es ein kleines Video aus meinem zweiten Hostel (verzeiht mir die heisere Stimme, es war doch noch so früh).

Heiser, aber undurstig,
Paul/柏逸

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